Peter Schiffer – leo-bw.de

Pfarrer Johann Friedrich Mayer, der Gipsapostel von Kupferzell

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Güllewagen, bestehend aus einem von zwei Ochsen gezogenen Fass mit Querrohr. Die Konstruktion aus der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts stammt von Georg Peter Schillinger , Zimmermann zu Öhringen. Copyright: LABW

Einen bemerkenswerten Lebensweg hat der am 21. September 1719 in Herbsthausen bei Mergentheim geborene Johann Friedrich Mayer zurückgelegt. Als Sohn der Wirtsleute Zum Schwanen zur Welt gekommen, lief seine Ausbildung konsequent auf den Beruf eines Dorfpfarrers hinaus. Die Lateinschule in Weikersheim, das Gymnasium in Öhringen und ein Studium in Jena waren die Stationen, ehe er 1741 in Riedbach nahe Crailsheim seine erste Pfarrstelle antrat. Im gleichen Jahr heiratete Mayer die Bergbronner Wirtstochter Anna Charlotte, mit der er fünfzehn Kinder hatte.

Lang währte der Aufenthalt in Riedbach allerdings nicht. Bereits 1745 übernahm Mayer die Pfarrstelle in Kupferzell, auf der er fortan in großer Bescheidenheit als Seelsorger wirkte. Weitere zwanzig Jahre vergingen, ehe Pfarrer Mayer ins Blickfeld der Öffentlichkeit trat. Weniger seine Predigten als vielmehr seine landwirtschaftlichen Experimente auf dem kleinen Pfarrgut erregten Aufmerksamkeit. Mit der Besömmerung der Brache, dem Anbau von Klee und Kartoffeln, dem Einsatz technisch ausgereifter Arbeitsgeräte und ausgeklügelten Verfahren zur qualifizierten Ochsen- und Schweinemast hatte Pfarrer Mayer Neuland betreten. Vor allem aber hatte er sich für die Ausbringung zermahlenen Gipssteins als Dünger ausgesprochen, was ihm den Ruf einbrachte, ein Pionier der mineralischen Düngung zu sein. Johann Nepomuk Schwerz, Gründungsdirektor der ältesten deutschen landwirtschaftlichen Hochschule in Hohenheim, verlieh ihm später den Ehrentitel Gipsapostel von Kupferzell und würdigte damit seinen Einsatz für neue Verfahren in der Landbewirtschaftung.

Mayer beließ es nicht bei Wort und Tat. 1768 publizierte er sein Erstlingswerk; Lehre vom Gyps lautete der Titel der 32 Seiten starken Schrift, die die Stärken Mayers deutlich machte. In verständlicher Sprache beschrieb er komplizierte Sachverhalte so anschaulich, dass die Bauern sie verstanden. Auch merkte man Mayers Diktion die enge Verbundenheit des Autors mit der Landbevölkerung an. Da äußerte sich keiner von oben herab, sondern er sprach mitten aus der Landbevölkerung heraus, deren Sorgen und Nöte er kannte. So schreckte sein Bekenntnis, Mitglied mehrerer renommierter wissenschaftlicher Sozietäten zu sein, nicht ab, sondern wies ihn, den hohenlohischen Dorfpfarrer, als Fachmann aus. Tatsächlich reichte der Kreis derer, die Mayer in landwirtschaftlichen Angelegenheiten um Rat fragten, vom Bischof von Würzburg über den Fürsten zu Oettingen-Wallerstein bis zum Kaiserhof in Wien.

Als Autor entfaltete Mayer großen Eifer. 37 Schriften, überwiegend agrarreformerischen Inhalts, umfasst sein Werk, das vielfache Spuren hinterließ. Ob Bauernhäuser, Viehversicherungen oder verbesserte Dreifelderwirtschaft: Stets stand Pfarrer Mayer hinter den Innovationen. In ihrer Gesamtheit trugen diese mit dazu bei, dass die Landwirtschaft in Hohenlohe das ganze 19. Jahrhundert über besser dastand als in vergleichbaren anderen Regionen.

Am 17. März 1798 starb Pfarrer Mayer im Kupferzeller Pfarrhaus. Auf seinem erhalten gebliebenen Grabstein heißt es: Treu dem frühesten Geschäft, das einst die Sterblichen trieben, / Lehrer und Landmann zugleich, bautest Du Herzen und Feld. / Darum belohnt Dich nun die gütige Mutter, die Erde, / Da Du sie also geehrt und die Kinder beglückt. / Anderen gibt ihr Schoß nur toten Marmor zum Denkmal, / Dir sich verjüngende Aun und fröhliche Menschen darauf.

Klaus Herrmann

Veröffentlicht in: Der Hohenlohekreis. Hg. v. der Landesarchivdirektion Baden-Württemberg in Verbindung mit dem Hohenlohekreis (Kreisbeschreibungen des Landes Baden-Württemberg). Ostfildern 2006, Bd. 2, S. 65.

Pfarrer Johann Friedrich Mayer als Landwirtschaftsreformer

Es ist erstaunlich, was manche Pfarrer neben den seelsorgerischen Aufgaben alles zuwege brachten. Johann Friedrich Mayer (1719–1798), seit 1745 Pfarrer im hohenlohischen Kupferzell, ist ein gutes Beispiel. Er verfasste mehr als zwei Dutzend Bücher und Schriften, mit denen er den Bauern in Hohenlohe praktische Ratschläge für eine effizientere Landwirtschaft gab. Mayer selbst übrigens bewirtschaftete ein kleines Pfarrgut, das auch seinen landwirtschaftlichen Experimenten diente. Als Gelehrter war er anerkannt, und von Obrigkeit und Wissenschaft wurde er als Gesprächspartner geschätzt. Durch sein umfangreiches Schrifttum konnte er aber vor allem die einheimischen Bauern für eine fortschrittlichere Bewirtschaftung gewinnen und so zum Gedeihen der hohenlohischen Landwirtschaft insgesamt beitragen.

Schon mit ihren Titeln lassen die Schriften den Pfarrer und Prediger erkennen, so der 1770 erschienene Katechismus des Feldbaues, Acker- und Wiesenbaues und Der sichere Nothelfer für alle Stadtbewohner und Landleute von 1791. Andere stellen den wissenschaftlichen Anspruch heraus: Lehrbuch für die Land und Hauswirte in der pragmatischen Geschichte der gesamten Land- und Hauswirtschaft von 1773 oder die zwölfbändigen Beiträge und Abhandlungen zur Aufnahme der Land- und Hauswirtschaft nach den Grundsätzen der Naturlehre und der Erfahrung entworfen von 1769 bis 1784. Mayers in sechs Bänden erschienener Ökonomischer Briefwechsel enthält Korrespondenzen mit Briefpartnern aus verschiedensten Territorien des Alten Reichs. In der Titelei bezeichnet er sich als Pfarrer und verschiedener Kaiserlich, Königlicher, Churfürstlicher und Republikanischer respektive Akademien und Gesellschaften Mitglied. Darin wird sein Einfluss weit über Hohenlohe hinaus deutlich.

Die bereits 1768 erschienene Schrift Die Lehre vom Gips als einem vorzüglichen Dung zu allen Erdgewächsen auf Äckern und Wiesen, Hopfen- und Weinbergen brachte Mayer den ehrenden Beinamen Gipsapostel von Kupferzell ein. Er predigte den Landwirten, ihre Böden durch Düngung zu verbessern und ertragreicher zu machen, wozu der in den Waldenburger Bergen reichlich vorkommende Gips sehr gut geeignet war. Diese Idee zog sich durch seine Schriften, wobei Mayer auch den Nachweis zu erbringen suchte, dass die mineralische Düngung bereits in der Antike bekannt gewesen und von Varro propagiert worden sei. Als vermeintliche Tradition war eine Neuerung unter Bauern besser voranzubringen.

Mayers Vorschläge beschränken sich keineswegs auf die Düngung. Er entwarf etwa ein nach Nützlichkeitserwägungen gestaltetes Modellbauernhaus, in dem die Wärme des Stalls im Erdgeschoss die darüberliegenden Wohnräume heizte. Die Dreifelderwirtschaft lehnte er ab und empfahl im Sommer die Brache mit Klee und Futtergewächsen zu bepflanzen. Raine zwischen den Feldern sollten vermieden werden, da hier Unkraut und Schädlinge gedeihen würden. Den Anbau der Kartoffel empfahl er auch als Nahrungsmittel für die Menschen. Er propagierte eine hofeigene Wasserversorgung zur Vermeidung aufwändigen Wassertragens, riet aber wegen der Brandgefahr von eigenen Backöfen in den Bauernhöfen ab. Das waren lebensnahe Empfehlungen und praktische Ratschläge und keine abgehobene Wissenschaft, die der Pfarrer den Bauern vermittelte und die er in zahlreichen Büchern und Schriften publik machte.

Grundgedanke seines agrarreformerischen Wirkens war, dass der Bauer die Eigenheiten der Natur verstehen und diese Kenntnis für sein Wohl und das Wohl aller nutzen sollte. Teils durch Anpassung an die natürlichen Gegebenheiten, teils durch bewusstes Einwirken – wie bei der Düngung – sollte sie für den Menschen nutzbar gemacht werden. Im Katechismus von 1770 formulierte er Was ist dann der Feldbau? Es ist die Kunst, durch welche man das Feld so zu bearbeiten weiß, daß man von demselbigen dasjenige erhalten kann, was zur Speise, zum Trank, zur Kleidung, Feuerung und zum Bau eines Hauses nöthig ist. Ein pragmatisches und an der Nützlichkeit orientiertes Verhältnis zur Umwelt also.

Peter Schiffer

Quelle: Archivnachrichten 42 (2011), S.14-15

 

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