Pfarrer Thomas Wittwer : Vortrag 1986

Pfarrer Mayer

 

Thomas Wittwer war 1986 Pfarrer in Kupferzell

Thomas Wittwer war 1986 Pfarrer in Kupferzell

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Vortrag über

DAS LEBEN UND WIRKEN DES PFARRERS JOHANN FRIEDRICH MAYER

gehalten am 18. Juni 1986 anlässlich der 750-Jahrfeier in Kupferzell

Werte Festversammlung – oder einfach: Liebe an Pfarrer Mayer interessierte Damen und Herren!

Herr Dr. Mehl und ich werden zusammen diesen Vortrag halten und – was meinen Teil betrifft, so mag es bestimmt kompetentere Leute geben, die etwas über Pfarrer Mayer sagen könnten. Aber obwohl ich erst knapp zwei Jahre hier bin habe ich mich doch schon gleich und gerne auf die Spuren des berühmten „Gipsapostels“ gesetzt. Einen ersten – allerdings unwissentlichen Kontakt gab es für mich schon im Studium: In einer Vorlesung über Predigtlehre hieß es, früher hätten Pfarrer in der Sonntagspredigt sogar über die Stallhaltung von Vieh geredet. Amüsiert nahmen wir das zur Kenntnis und ich hatte damals keine Ahnung, dass es dabei um einen berühmten Vorgänger auf einer späteren Pfarrstelle handeln könnte.

Die Person und die Sache des Johann Friedrich Mayer sind mir aber inzwischen sehr wichtig geworden und ich möchte im Verlauf des Vortrags,  ein wenig mehr als bisher vielleicht geschehen, auch die theologische Seite zur Sprache bringen.

Johann Friedrich Mayer hieß eigentlich genau Johann Georg Friedrich Hartmann Mayer; er wurde geboren am 21. September des Jahres 1719 als Sohn eines Gastwirts und Schultheißen zu Herbsthausen. Noch stattlicher als die Zahl seiner Vornamen war die Zahl der Kinder, die seine Frau Anna Charlotta, geb. Hirschmann – ebenfalls ein Gastwirtskind –  gebar: Es waren derer fünfzehn, wobei allerdings fast die Hälfte (und die letzten drei in Folge) früh verstarben. Es muss einen wundern, dass diese Frau ihren Mann, als er 78jährig starb, noch um einige Jahre überlebte.

Die Zeit des Pfarrers Johann Friedrich Mayer in Kupferzell währte von 1745 bis 1798. Vor seinem Amtsantritt war noch die bekannte Verwicklung in den sogenannten „Kalenderstreit“ Sindringen, wo er gegen seine evangelische Kirchenleitung für die katholische Landesherrschaft Stellung bezog, wohl weil er letztere für vernünftiger hielt – auch das ein interessanter und, wenn Sie so wollen, ökumenischer Aspekt. Es waren 53 erfüllte Jahre dann in Kupferzell, in denen er das wurde, was man ihm nachsagt: Pfarrer, Lehrer des Volkes und Landwirt zugleich.

Aufgewachsen in landwirtschaftlichen Verhältnissen soll es ein Gelübde des Vaters in schwerer Krankheit gewesen sein, das für den Pfarrberuf ausschlaggebend war. Wie dem auch sei – er wurde ein forschender Geist, der weder mit dem Theoretischen noch mit dem Praktischen allein je zufrieden war, aber stets die Auswirkungen im Praktischen suchte. Was ihm wichtig war lesen wir nun aber am besten an den Titeln seiner Werke ab, die – nach einer deutlichen Zeit des Erfahrungssammelns – im Jahre 1768 beginnen:

Es erscheint zuerst eine „Lehre vom Gyps als einem vorzüglich guten Dung zu allen Erdgewächsen auf Äckern und Wiesen, Hopfen und Weinbergen“ (Ansbach 1768); ein Jahr später die „Beyträge und Abhandlungen zur Aufnahme der Land- und Hauswirtschaft, nach den Grundsätzen der Naturlehre und der Erfahrung entworfen“; als drittes ein „Katechismus des Feldbaus, worinnen in Fragen und Antworten die Acker- und Wiesenbaukunst zum Besten des Landmanns faßlich und deutlich nach den Grundsätzen der Naturlehre und Erfahrung vorgetragen ist“. Im Jahr darauf erscheint nochmals ein Katechismus, diesmal ein kirchlicher: „Die Lehre der Evang. Kirche zum Unterricht für die Jugend, in Fragen und Antworten abgehandelt“. Hatte vielleicht einer gesagt, er solle sich weniger um die Landwirtschaft und mehr um die Kirche kümmern? Jedenfalls kommt dieser Katechismus für die Konfirmanden nach dem für die Landwirte und nun geht es unbeirrt weiter mit einer „Verteidigung des Gypses“ und so weiter und so fort.

Noch 1772 gibt er eine ausführliche Schilderung und Beurteilung einer „siamesischen“ Zwillingsgeburt, die im Jahr davor in Kupferzell geschah und die er auch mit sorgfältiger Zeichnung im Taufbuch der Kirchengemeinde beschrieb. Es kommen dann noch vielfältige landwirtschaftliche, volkswirtschaftliche und volksbildende Themen, zum Teil sogar in unterhaltender und romanartiger Form, so etwa eine „Galerie von Schilderungen guter und böser Hauswirte in ihren Lebensläufen zur Beförderung einer besseren Landwirtschaft“. Das erinnert mich an einen Leitspruch meines Vaters: „Jeder ist zu etwas gut – und sei es nur als abschreckendes Beispiel“. 1773 erscheint ein Beitrag „Noch etwas vom Gyps, aber auch das Letzte“, doch finden wir noch 1777 einen Titel „Streit über den Wirkungen des Gypses“ und 1778 eine Arbeit über die „Verbesserung der Äcker durch Mergeln und Gips“. Die theologischen Veröffentlichungen halten sich sehr in Grenzen, doch zeigt ein gleich nach Mayers Tod vom Sohn herausgegebener Band mit Predigten auch diese Seite, wie ich finde, sehr schön und überzeugend.

Will man einen zusammenschauenden Grundsatz aus Mayers Werken heraushören, so dürfte dafür richtungsweisend sein, was er in einem Beitrag 1782 selbst so formulierte: „Warum ich glaube“, tituliert er hier, “dass ein Prediger seinem Amte kein vollkommenes Genüge leiste, wenn er nicht – neben dem, dass er seine Gemeinde zu dem Besitz ewiger Seligkeiten hinführet – sie auch, zeitliche Glückseligkeiten zu besitzen, unablässig bearbeitet.“ Eine Rede vom Himmelreich, anders gesprochen, gab es für Pfarrer Mayer also nicht, wenn man nicht auch merken konnte, wie der Himmel die Erde berührt. Das war seine und ist, wie auch ich meine, die einzig heilsame Theologie.

Eine eher praktische Nachfrage sei noch angefügt: Mir ist nicht ganz klar, wie angesichts der Unmenge der Veröffentlichungen und teilweise auch weiten Reisen die Amtsgeschäfte hier in Kupferzell ausgeführt werden konnten. Bei einem Pfarramt heutiger Zeit wären solche Nebentätigkeiten jedenfalls nicht denkbar.
Hat der älteste Sohn (ab 1766 als Pfarrer in Wilhermsdorf verzeichnet) etwas übernommen? Oder hatte man einen Vikar? Es war damals ja wohl so: Wer einen Vikar durchfüttern konnte, der durfte auch einen haben. Ein großer Teil Selbstversorgung aus den Pfarrgütern war bei Mayer sicher gegeben. Vielleicht ging es nach einem alten schwäbischen Pfarrhausspruch, wenn man am am Ende des Winters feststellte: „Mir hend dr halbe Keller no voll mit Kartoffle -was schaffe mr uns o: A Sau oder an Vikar?“
Inzwischen habe ich festgestellt, dass ein baden-württembergisches Pfarrerverzeichnis tatsächlich für 1776/77 einen Vikar namens Johann Tobias Hopfer und für 1782-84 einen „Adjunkten“ Joh. Heinr. Friedr. Schöner vermerkt.

Wenn wir den Blick wenden auf Pfarrer Mayers Gesamtwerk, dann sollten wir uns zuerst aber noch über seine Zeit orientieren.
Man darf ihn nicht isolieren aus jener geschichtlichen Phase in der Mitte bis zum Ende des 18. Jahrhunderts, einer Zeit des Aufbruchs überhaupt, die man geistes- und theologiegeschichtlich als „Aufklärung“ bezeichnet. Es war eine Zeit der neuentdeckten Leistungen der Vernunft, eine Zeit voller Bewegungen und Programme und vor allem auch ein Zeitalter der Pädagogik. Pestalozzi, etwa 30 Jahre jünger als Mayer, ist aus diesem Strom herausgewachsen; in der Zeit von Mayers Veröffentlichungen erschienen auch die ersten Werke Goethes, später Schillers, und die franz. Revolution 1789 signalisierte dann ja einen Umbruch für ganz Europa.
Theologiegeschichtlich haben wir, besonders hier in Württemberg, oft ein unrichtiges Bild von der Zeit der Aufklärung. Als sei es nur darum gegangen, die Leute am Glauben irrezumachen. Mag es Extremfälle gegeben haben, so ist die Aufklärung insgesamt besser als ihr Ruf. Für sie und für Pfarrer Mayer insgesamt gilt, dass es um den Versuch ging, aus dem Glauben des Christentums vernünftige und hilfreiche Handlungsweisen abzuleiten, sich zu mühen – und das oft mehr als es heute geschieht – Glaube und Denken in ein Verhältnis zu bringen, das vor den Menschen und den Fragen der Zeit verantwortbar war. Diesen Ansatz sollte man nicht gering achten.

Das Werk Mayers wird dann natürlich gekennzeichnet durch das Stichwort „der Gips“. Die Gipsdüngung, die Mayer den berühmten Beinamen „Gipsapostel“ einbrachte, verdankte, wie es oft geschieht, ihre Entdeckung einem Zusammenwirken von Zufall und Beobachtungsgabe. Bei seinen Fahrten, liest man, von Kupferzell nach Waldenburg zum Schloss des Landesherrn sei Mayer mit der Zeit aufgefallen, dass an den Wegrändern, also dort, wo der Gipsstaub der Straße hingelangte, alles viel üppiger sprießte und sprosste als anderswo. Er ging dieser Beobachtung nach und fand schließlich einen Bauern, der ihm gestand, dasselbe Mittel, nämlich Gips, schon eine Weile und auch mit gutem Erfolg als Dünger auf seine Äcker und Wiesen zu verteilen. Pfarrer Mayer machte nun eigene, sorgfältige und lang angelegte Versuche und war vom Ergebnis begeistert. Er beschrieb nun, begründete und verteidigte diese Methode bis an sein Lebensende und einer seiner Bewunderer war es, der ihm den Beinamen „Gipsapostel“ verschaffte.

Die Hauptmenge des Gipses kam damals offensichtlich aus einem Steinbruch nahe des heutigen Bahnhofs Waldenburg und es heißt, man könne den Ort heute noch identifizieren.
Brachte zwar der Gips, wie Mayer selbst zusammenfasste, „eine wesentliche Steigerung der Erträge auf den Wiesen, aber auch auf den Äckern, besonders bei Klee und Hülsenfrüchten“, so ist dies noch längst nicht die ganze Seite seines Wirkens. Da kommt dazu die Einführung der Futterrübe, des Kleeanbaus auf der Brache, der Mostobstanbau, die Stallhaltung des Viehs, auch der Bau des entsprechenden Bauernhauses und darüber hinaus weitreichende
Vorschläge. zur Einführung von Versicherungen beispielsweise, zur Einführung technischer Neuerungen und Stellungnahmen zu politisch-sozialen Fragen dieser Zeit – etwa zur Behebung des Bettelunwesens – waren es, die von Mayer in die Wege gebracht wurden.

— (an dieser Stelle wurde das Referat von Herrn Dr. Mehl, durch Dias veranschaulicht, eingefügt)

Durch all das begann schon bald eine Zeit spürbar zunehmenden Wohlstandes für die bisher doch recht öde Gegend. Berühmt wurde das Anwachsen und die Leistungsfähigkeit der Mastviehhaltung. Bis nach Paris, das in der Revolutionszeit des ausgehenden 18.Jahrhunderts Mangel litt, wurden blühend gemästete Ochsen und Hammel getrieben. Zu Fuß natürlich und nicht zu lange Strecken täglich, damit das Gewicht nicht verloren ging. Trotz der Langwierigkeit des Unternehmens, welches die Gründung eigener Handelsgesellschaften mit sich brachte, wurde das ein sehr einträgliches Geschäft und eine Quelle weiteren Reichtums für die Gegend. Mayer selbst resümierte: „Die Abschaffung der Weidgänge und Einführung der Stallfütterung waren die Mittel unseres Wohlstandes, denn aus ihm entstand unsere über die Maßen wichtige Fabrik: Die Ochsenmastung, daraus unser sehr großer Handel, der alle Jahre dritthalb Millionen Gulden meistenteils aus Frankreich dem Lande einbringt. Man konnte durch die Unterteilung der Viehweide viel mehr Vieh halten, man hatte schöneres Vieh, man gewann den ehemals verschleppten ganzen Sommerdung vom Vieh, ein Hauptgewinn. Man konnte Wiesen und Äcker fetter düngen, hatte mehreres und fetteres Heu, mehr Getreide. Eines griff ins andere und brachte den besseren Wohlstand zuwege.“

Diese Veränderungen wären aber bestimmt nicht möglich gewesen ohne die Gabe einer gewissen Pädagogik (in diesem sehr pädagogischen Zeitalter), die auch Pfarrer Mayer eigen war. Er erkannte, dass Vormachen besser ist als Vorschreiben, weil oft alle Belehrungen umsonst sind ohne überzeugendes Beispiel und gegen die seiner Meinung nach verbreitetste aller Bauernregeln: „Nur nichts Neues aufkommen und nur nichts Altes abkommen lassen“ musste er sich manche Seitenwege einfallen lassen. Eine dazu passende Geschichte rankt sich um die Einführung der Kartoffel:

Wie anderswo so begegnete man auch hier diesem neumodischen Gewächs mit Misstrauen. Ein paar Frauen pflanzten es wohl in den Garten, sagten aber auf Anfragen wieder, sie wüssten nicht, wozu es gut sei. Um Bekanntheit und Neugierde zu wecken habe Mayer dann links und rechts des Kirchwegs Kartoffeln gesetzt und der Erfolg gewiss auch mancher Hinweise in der Sonntagspredigt war, dass man ihm zwar an die hundert Pflanzen ausriss, um die so hochgelobte Knollenbildung nachzuprüfen, aber keiner sich weiter dafür interessierte oder sie gar für den eigenen Nutzen anbauen wollte. Auch Pfarrer Mayer selbst holte sich erst noch einmal Rat und Vorschläge für die Verarbeitung aus der Fremde und fand dann zwei, die Hohenloher anscheinend am ehesten überzeugende Verwendungsarten: a) die Herstellung von Schnaps b) die Herstellung schmackhafter Torten. Es soll bei einer Kirchengemeinderatssitzung gewesen sein, dass plötzlich die Tür aufging und ein großer und überaus gut gelungener Kartoffelkuchen (hier sagt man wohl „Kartoffelblootz“) serviert wurde, welcher die Anwesenden zum Schwärmen brachte, sodass die Kirchengemeinderäte wahrscheinlich heimgingen und dort (auf gut hohenlohisch und hoffentlich mache ich’s richtig:) den Auftrag ausgaben: „Fraa, des mechsch aa!“

Vielfältiges pädagogisches Bemühen, das Wecken von Neugierde, sichtbare Beispiele und -für die Hiesigen wohl das durchschlagendste Argument – die Steigerung des leiblichen Genusses, verhalfen den Reformgedanken Mayers zum Erfolg. Bei aller Ermahnung auch zur Sparsamkeit bei später einreißenden Wohlstandssitten, wie übermäßiges Kaffeetrinken und Geld ausgeben für städtisch-modische Kleidung, war Mayer doch auch dafür, dass man sich etwas gönnte und bei aller harten Arbeit auch Raum ließ für Freude und Geschmack, Kultur und Wohlstand im besten Sinne.

Bis zum Ende seines Lebens blieb Johann Friedrich Mayer in Kupferzell, was nicht selbstverständlich erscheinen muss, da er Mitglied verschiedenster wissenschaftlicher Akademien bis nach Großbritannien und Österreich – weithin verlangt wurde. Eine besondere Berufung erhielt er von Kaiserin Maria Theresia; diese kluge Regentin hätte ihn sehr gerne als Berater an ihrem Hofe gehabt. Aus welchen Gründen auch immer, Mayer lehnte stets ab und liegt so auch in Kupferzell, unter der denkwürdigen Inschrift, die ihn als „Lehrer und Landmann zugleich“ preist, begraben.

Noch mehr als dies wohl bisher getan wurde, möchte ich das Wirken Johann Friedrich Mayers auch nach der theologischen Seite hin abrunden. Ich meine entdecken zu können, dass landwirtschaftliches Reformertum und Pfarrer- bzw. Theologe-Sein hier nicht unverbunden nebeneinander herlaufen, sondern dieselbe Wurzel haben in einer Glaubensüberzeugung. Beispielhaft erhellt werden soll das durch den Blick auf eine Predigt, die die „Stillung des Sturmes auf dem See Genezareth“ nach Matthäus 8 zum Thema hat: Als den innersten Kern legt Mayer bei dieser Geschichte die Aussage frei, dass der Mensch den Naturgewalten nicht schutzlos ausgeliefert sei. „Wer Gott liebt, dem müssen alle Dinge zum Besten dienen“ – dieses Pauluswort wird zur Interpretation herangezogen.

Man muss sich vor Augen führen wie diese Zeit wirklich noch gebeutelt war im Abhängigkeitsgefühl von Hagelschlag, Gewitter, Dürre, Hochwasser usw. und die Existenz mancher Landwirte tatsächlich von einem Jahr aufs andere durch derlei Mächte vernichtet sein konnte. Aus der Sturmstillungsgeschichte hört Mayer nun den Hinweis heraus auf „den Glauben, das Vertrauen, die Hoffnung, den Mut, die Ausdauer und Standhaftigkeit, die aus einer überzeugten Erkenntnis, dass die Rettung noch möglich sei, Gott noch lebe, Jesus mit im Schiffe sei, dass wir noch Mittel haben, uns zu helfen, dass es uns an Kräften der Seele und des Leibes nicht mangele, und sich noch alles: Steuer, Ruder und Segel zu unserer Erhaltung anbiete.“

So ist es nur konsequent, dass Mayer in derselben Predigt zum Einbau von Blitzableitern rät und die Einrichtung von Feuerwehren, Brand-, Hagel- und Ernteausfall-Versicherungen empfiehlt. Das alles getreu der biblischen Weisheit eines Josef in Ägypten, eben in der Überzeugung, dass aus dem richtigen Glauben auch die besten praktischen Ratschläge kommen. Auch die meisten der anderen Predigten haben solche Konkretisierungen ins Praktische hinein und kämpfen dabei immer gegen eine zweifache Front, die ich mit den Stichworten „Aberglaube“ und „Fatalismus“ beschreiben möchte. Der Schritt aus dem Mittelalter heraus muss, vor allem bei der Landbevölkerung, noch wenig vollzogen gewesen sein. Man vertraute sehr auf mystische Regeln und wahrsagerische Prophezeiungen, suchte oder fürchtete Zeichen wundersamer Art, anstatt sich zu verständiger Beobachtung der Zusammenhänge und vernünftigem Handeln anleiten zu lassen. Solcher Aberglaube als die eine Seite der Medaille, Fatalismus als die andere, das heißt, die auch ganz moderne Einstellung: „Man kann doch nichts machen“. Auch damit war Pfarrer Mayer nie zufrieden. Hier waren es zum Teil auch theologische Widerstände: „Wenn man nur fleißig bete, so gebe Gott alles“, auf weiteres Glück oder Unglück habe der Mensch keinen Einfluss. Das sei zum einen wahr, meint Mayer, „das Gebet hat die Verheißung … (und) alles Nötige liegt im Schoß der Erde, bietet sich an und überlässt sich uns ganz, … aber 3 Stücke gehören zusammen: Gebet, Klugheit und Fleiß.“ Gottes Wille sei es, dass wir die Mittel, die er gegeben hat, erkennen und sie zu unserem Wohl mit aller Kraft einsetzen und was dann noch ausbleibt, das mag man getrost wieder in Gottes Hand legen und von ihm das Weitere erwarten.

Zu einer kritischen Würdigung des Gesamt-Werkes von Johann Friedrich Mayer gehört nun sicher die Frage, was er denn für unsere Zeit noch zu bedeuten habe. Wir stehen ja möglicherweise am Ende jenes Zeitalters, dessen Tür Pfarrer Mayer mit aufgestoßen hat. Wir haben, wie er es vorschlug, Seen trockengelegt, Fluren bereinigt, den Boden intensiv genutzt, Produktion und Handel intensiviert, technische Hilfsmittel geschaffen, Erträge gesteigert und Unproduktives ausgemerzt. Mag auch vieles seiner Anregungen und Methoden Besserem und Anderem gewichen sein, so möge uns aber Mayers Fähigkeit, Zusammenhänge zu erkennen und sein Wunsch, den Dingen auf den Grund zu gehen und nach Vorwärts weiterzudenken, erhalten bleiben. Sicher werden wir aber einen so ungebrochenen Fortschrittsoptimismus, wie er seiner Zeit in dieser Aufbruchsstimmung eigen war, nicht mehr vollziehen können. Wir werden weiter – aber auch das können wir ja von Pfarrer Mayer lernen – mit ihm Lernende sein müssen, Weiter-Lernende und aufmerksame Beobachter besonders der elementaren Vorgänge unseres Lebens.

Man fragt heute neu nach einer Synthese von Natur und Mensch, auch nach einer Synthese von Theologie und Ökologie. Hier ist bei der Rückbesinnung auf Pfarrer Mayer noch viel Anregendes zu entdecken.

Für ihn war die Erde nie nur „Material“. Bei allem Verändern und Verbessern blieb sie Schöpfung eines Höheren, der alles mit Bedacht vorgeordnet hat. Es bleibt eine Ehrfurcht vor dem Lebendigen – etwa wenn Mayer bei der Beurteilung von Tieren als Schädlinge Vorsicht walten lässt und das komplizierte Geflecht der Zusammenhänge in der Natur erkennt und achten möchte. Alles in den Griff bekommen zu wollen, sagt er grundsätzlich, kann oft mehr Schaden als Gewinn anzeigen. So schließt er ein Kapitel seines Ratgebers für die Land- und Hauswirtschaft gleichsam seufzend: „Je! wer will alle Fehler im Feldbau überall (be)heben und zerstreuen? Die Vorsicht (=Vorsehung, Gott) hat unsern Einsichten vieles entzogen, über unsern Fleiß vieles gehoben: Wir können zwar vieles verabsäumen; alles aber zu tun und zu segnen vermag niemand, als Gott! (Dies sei unser An-)Reiz zu seiner Verehrung, zum Vertrauen und zum Gebete!“

Alles menschliche Tun sieht Mayer also doch als unabgeschlossen und dann selbst in Irrtum und Fehlerhaftigkeit auch geborgen im Zusammenhang eines größeren Vertrauens und Glaubens, nach dem unser Innerstes verlangt, weil es sonst keine wirkliche Antriebskraft hat. Das Motto von Mayers Lehrbuch ist der lateinische Satz „Auxiliante Deo Levabor“, ich möchte es so übersetzen: „Mit Gottes Hilfe wird es mir leichter“. Eine fundamentale Erleichterung hat Johann Friedrich Mayer also der christlichen Religion abgespürt.

„Ich sah sie“, schrieb er einmal, „gar bald als eine Regel an, als den Inbegriff aller derjenigen Regeln … durch deren Beobachtung die Menschen glücklich, vollkommener oder selig werden sollten, könnten und müssten. Die Seligkeit schloss ich nicht auf jene Zeit über dem Grabe weg ein, sondern hielt dafür, dass des Menschen Seligkeit nach der göttlichen, guten Bestimmung schon in dem ersten NUN seines Daseins angehe.“

Blicken wir, liebe Festversammlung, nicht nur 750 Jahre, sondern in diesem Fall etwa 200 Jahre zurück, so haben wir Kupferzell vor uns in großer Blüte und tatsächlich so ein wenig als „Zentrum Europas“. Es ist etwas ausgegangen von diesem Ort, dessen Lage Pfarrer Mayer als nach allen Seiten geradezu ideal beschrieb. Die Kupferzeller dürfen sich etwas aufrichten an dieser Zeit und ihrer großen Persönlichkeit Johann Friedrich Mayer. Es steht gerade einer Gemeinde, die die Kirche im Wappen trägt, gut zu Gesichte, sich einer solchen Vergangenheit in der rechten Weise zu besinnen.

Man hat auf dem Friedhof hier Pfarrer Mayer ein steinernes Denkmal gesetzt, mit einer Inschrift, die besagt, dass sein wahres Denkmal ein lebendiges sei: Eine sich verjüngende Au, das heißt lebende Schöpfung und fröhliche Menschen darauf.

Möchten wir ihm doch weiterhin dieses Denkmal setzen!